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Wie die Mitra in den Thurgau kam

Das Konstanzer Konzil

Zu Beginn des 15. Jahrhunderts war das christliche Abendland tief gespalten. Seit 1378 erhoben zwei Päpste gleichzeitig Anspruch auf den Stuhl Petri, einer zu Rom und einer zu Avignon. Einige Kardinäle beider Seiten kamen daher darin überein, die Kirchenspaltung durch ein Generalkonzil zu überwinden, das im Jahre 1409 in Pisa und gegen den Willen der beiden Päpste abgehalten worden war. Auf diesem Konzil wurden beide Päpste in Abwesenheit von ihren Ämtern enthoben.
Alexander V. wurde sodann als neuer Papst ausgerufen, dem auf seinem baldigen Tod Johannes XXIII. nachfolgte.

Die Päpste zu Rom und Avignon jedoch dachten nicht daran, sich in diesem unerhörten Präzedenzfall absetzen zu lassen. Statt dessen setzten sie die Anhänger des dritten Papstes in den Kirchenbann und beharrten auf ihrer Stellung. Damit sah sich Europa nunmehr in drei feindliche Lager geteilt.
Der neu gewählte deutsche König Sigismund verabredete 1413 in Lodi mit Johannes XXIII. die Einberufung eines weiteren Konzils, das die Einheit der Kirche wiederherstellen sollte. Als Tagungsort wurde das zentral in Europa gelegene Konstanz ausgewählt. Innerhalb knapp eines Jahres wurden in der Stadt alle nötigen Vorbereitungen getroffen, um den Zustrom an Gästen aus ganz Europa beherbergen zu können.

Die Frauenfelder Mitra

Die berühmte Frauenfelder Mitra aus dem Kloster Kreuzlingen geht als eines der wenigen Kunstwerke direkt auf die Zeit des Konstanzer Konzils (1414–1418) zurück. Papst Johannes XXIII. war 1414 samt Gefolge zum Konzil in Konstanz unterwegs. Die letzte Nacht vor seinem prunkvollen Einzug zum Konzil verbrachte der Pontifex im Kloster von Kreuzlingen. Als Dank für die Gastfreundschaft verlieh der Papst Abt Erhart Lind das Recht, Mitra und Stab zu tragen, was eigentlich Bischöfen vorbehalten war.

Der Abt oder sein Nachfolger liessen daraufhin selbst eine besonders prachtvolle Bischofsmütze für sich anfertigen, ein echtes Statussymbol. Wahrscheinlich fertigte ein Konstanzer Goldschmied die metallene Grundkonstruktion der Mitra in seiner Werkstatt. Die Stickereien wurden separat hergestellt und dann eingepasst. Sie sind möglicherweise in einem Kloster entstanden und wurden später immer wieder erneuert.

Ohne den Thurgau kein Konzil

Ohne den Thurgau hätte es das Konzil von Konstanz nicht gegeben. Dem Thurgau kam als das natürliche Umland von Konstanz bei der Beherbergung und Versorgung der Konzilteilnehmer eine wichtige Rolle zu. Noch vor Beginn des grossen Kongresses ritt der Konstanzer Bürger und Konzilschronist Ulrich Richental zusammen mit zwei päpstlichen Kundschaftern in den Thurgau. Er sollte herausfinden, ob es hier genug Herbergen und Nahrungsmittel gab, um die grosse Kirchenversammlung in Konstanz ausrichten zu können.